Offener Brief und offene Fragen

Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land kritisiert Abfallentsorgung / Landrat und Kreiswerkechef äußern sich nicht

Kreisgebiet. In einem offenen Brief informiert der Bürgerverein SauberesDelitzscher Land sämtliche Abgeordnete, Ämter und Behörden, die es von Borna bis Delitzsch gibt. Hauptthema sind Probleme mit heizwertreichen Fraktionen (HWRF), einem Produkt der mechanisch-biologischen Anlage (MBA) Cröbern. Von konzeptionellen Fehlern und für den Bürger effizienteren Verwertungssystemen wird geschrieben. „Bei der Vorbehandlung in der MBA fallen bis zu 45 Prozent der Gesamtmenge sogenannter heizwertreicher Fraktionen an, die zwingend verwertet werden müssen“, heißt es. Die Anlage wird vom Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW) betrieben. Heute zeige sich das Dilemma darin, dass Zwischenlager fürHWRF angelegt werden müssen, um die vorgelagerten MBA-Behandlungskapazitäten nicht zu blockieren und damit die Abfallentsorgung mittels MBA überhaupt noch sicherstellen zu können.

120.000 Tonnen HWRF pro Jahr werden seit August 2006 vertragsgemäß von den KWD zum Preis von 90 Euro je Tonne übernommen. Hierfür erfolgte offenbar keine europaweite Ausschreibung, obwohl bei der Vertragslaufzeit bis 30 Jahre der Wertumfang dieses Geschäftes bis 300 Millionen Euro beträgt. Unterzeichner Dietmar Mieth fordert die KWD auf, die Gebühren zu senken und in Verbindung mit einer europaweiten Ausschreibung möglichst schnell ein integriertes Entsorgungszentrum zur tatsächlichen Verwertung der HWRF am dafür geeigneten Standort Cröbern zum Erfolg zu bringen.

Ich äußere mich zu diesem Brief nicht“, so die knappe Antwort von Kreiswerke-Chef Heinz Böhmer auf das Schreiben. Der Delitzscher Landrat Michael Czupalla (CDU) zeigte sich gestern ebenfalls wenig verständnisvoll. Für ihn seien die Art und Weise und das Vorgehen der Absender nicht akzeptabel. „Es ist alles geklärt. Ich lehne es ab, mit Leuten in der Öffentlichkeitzu kommunizieren, die es bis zum heutigen Tag nicht ein einziges Mal für nötig gehalten haben, sich sachlich vor Ort zu informieren. Wir praktizieren nachweislich eine gläserne Verwaltung, sind gern bereit, als Gesprächspartner zur Verfügung zustehen. Sämtlich Angebote in diese Richtung wurden bisher nicht angenommen. Statt dessen muss ich mir immer wieder die gleichen haltlosen Anschuldigungen anhören. Ich kenne Herrn Mieth nur aus der Zeitung, das lehne ich ab. Ich werde mich nicht auf dieses Niveau begeben und sage dazu nichts.

Logisch erscheint Mieths Aussage, dass sich Einnahmen der KWD eigentlich gebührensenkend auswirken müssten. Der Verband muss pro Tonne der Reste 90 Euro an die Kreiswerke Delitzsch zahlen – obwohl der die Reste derzeit größtenteils nur zwischenlagert. Nach LVZ-Informationen beträgt der derzeitige Marktpreis je Tonne heizwertreicher Reste etwa 45 Euro – gerade mal die Hälfte, die Delitzsch verlangt. Darum macht auch die stellvertretende ZAW-Vorsitzende und Landrätin des Leipziger Landes, Petra Köpping (SPD), Druck. Seit Monaten will sie den Entsorgungsvertrag über die Abnahme der heizwertreichen Reste mit dem Landkreis Delitzsch lösen – mit denen auch Landrat Czupalla wie berichtet Probleme hat, weil sich unter ihnen verarbeitete Abfälle aus Italien befinden. „Wir haben Landrat Czupalla beinahe täglich das Angebot gemacht, den öffentlich-rechtlichen Vertrag aufzuheben“, so Köpping. Dies umso mehr, erläuterte sie, als dem Verband weitaus günstigere Angebote vorlägen, die auch eine direkte Verwertungvorsähen. Köpping: „Uns muss es darum gehen, die Gebührenzahler nicht mit unnötig hohen Kosten zu belasten.“ Czupalla habe es jedoch schriftlich abgelehnt, den Vertrag zu lösen, so Köpping. Frank Pfütze

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch, LOKALES, Seite 17, 21.02.2008


STANDPUNKT


Von Frank Pfütze

Unerträglich

Der Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land befindet sich auf dem Kriegspfad. Jede noch so kleine Annäherung an den Feind, die Kreiswerke Delitzsch, erscheint aussichtslos. Der Verein feuert vier Seiten, vollgepackt mit Missständen, Vorwürfen, Anschuldigungen aber auch Vorschlägen in die Öffentlichkeit. Und die weiß inzwischen nicht mehr, wo vorne und hinten, wasRecht und was Unrecht ist. Landrat Michael Czupalla und Kreiswerkechef Heinz Böhmer winken ab und verweigern inzwischen jede Stellungnahme. Sie seien es leid, permanent zu haltlosen Unterstellungen Stellung zu beziehen. Ihnen stinkt die Angelegenheit gewaltig. Darum wollen sie sich nicht auf dieses, nach ihren Worten, niedrige Niveau der Kommunikation herabbegeben. Totschweigen können sie die Vorwürfe aber auch nicht. Gar nichts dazu zu sagen, ist falsch. In der Öffentlichkeit dürfte es eher schlecht als recht ankommen, wenn diese Anschuldigungen nicht entkräftet werden. Das hinterlässt den faden Beigeschmack einesSchuldeingeständnisses. Wenn der Ruf des Unternehmens auf dem Spiel steht und dadurch Arbeitsplätze gefährdet werden, müssen Geschäftsführer und Landrat den Mund aufmachen. Es wird allmählich unerträglich und auch für Insider immer schwerernachvollziehbar, worum es gerade geht. Immer bringt Dietmar Mieth Vorwürfe ins Gespräch, die teilweise widersprüchlichund falsch sind – aber nicht ausschließlich. Böhmer hat uns Journalisten gegenüber immer mit offenen Karten gespielt, seine Deponieaufgeschlossen und gezeigt, was wir sehen wollten. Zutage kamen fast ausschließlich Mieth’sche Luftblasen. So ehrenwert es auch ist, dass sich Mieth und seine Mitstreiter des Sauberen Delitzscher Landes hier für Umwelt und Steuerzahler ins Zeug legen, derKriegspfad wird nicht zum Erfolg führen. Zur Abwechslung wären ein paar sachlich unterlegte Beweise, die auch der aktuelle offene Brief nicht enthält, hilfreich. Denn wo Müll ist, da stinkt es nunmal. Das allein reicht jedoch nicht aus, um einen Landrat zu stürzen und einen Geschäftsführer in die Wüste zu schicken – und sei es nur verbal oder schwarz auf weiß.

@f.pfuetze@lvz.de

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch, LOKALES, Seite 17, 21.02.2008


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