Bündnis erwägt Bürgerbegehren

Besorgte Stadträte und Delitzscher wollen, dass Kommune bei Technischen Werken weiter das Sagen hat

Von Dominic Welters

Delitzsch. Sie sind momentan noch zu siebt, doch sie bereiten sich gerade intensiv darauf vor, deutlich mehr zu werden. Eine Gruppe von „besorgten Stadträten und Delitzscher Bürgern“ – so nennt sich das Septett selbst – rüstet sich für ein Bürgerbegehren mit dem Ziel, einen Bürgerentscheid über den Verkauf des kommunalen Eigentums herbeizuführen. Die Stadräte Annelise Podsadny, Wolfgang Herder und Siegfried Schuh von der Partei Die Linke, die sozialdemokratischen Abgeordneten Siegfried Schönherr und Jörg Bornack sowie die Bürger Dietmar Mieth und Raimund Krieger wollen, dass die Stadt Mehrheitsgesellschafter der Technischen Werke Delitzsch (TWD) bleibt. Den Ende September im Rat der Kreishauptstadt beschlossenen – indirekten – Verkauf von 37,375 Prozent der TWD-Anteile an Finanzinvestor H/H-Stadtwerkefonds via 49,9-Prozent-Beteiligung an der runderneuerten Zukunft in Delitzsch GmbH (ZiD) halten sie für einen schweren strategischen Fehler. Dieser sei mit der Sächsischen Gemeindeordnung nicht in Einklang zu bringen. „Der teilweise oder vollständige Verkauf der Unternehmen der Daseinsvorsorge zur kurzfristigen Verbesserung der Haushaltslage hätte negative Auswirkungen auf die Handlungs- und Zahlungsfähigkeit der Stadt Delitzsch“, heißt es in einem ersten Entwurf des Einleitungstextes zur Unterschriftenliste. Städtisches Eigentum ginge möglicherweise unwiederbringlich verloren. „Die Daseinsvorsorge in den Bereichen Energie, Wasser- und Abwasserversorgung sowie Wohneigentum sollte gemeinwohloientiert erfolgen und nicht privaten Gewinninteressen unterliegen.“ Privatisierungserlöse seien „nicht wiederholbare Sondereinnahmen“, die den städtischen Haushalt nicht dauerhaft sanieren können, so der weitere Wortlaut des Textes, über dem die Frage trohnt: „Sind sie dafür, dass das kommunale Unternehmen Technische Werke Delitzsch GmbH der Stadt Delitzsch, welches der Daseinsvorsorge dient, weiterhin zu mindestens 51 Prozent in kommunalen Eigentum verbleibt?

Da es sich um eine eindeutig mit Ja oder Nein zu beantwortende Frage handelt, wäre sie für ein Bürgerbegehren grundsätzlich geeignet. Doch ob sie am Ende gestellt wird, hängt von einem nicht unerheblichen Faktor ab. Denn vor die Unterschriften-Sammlung hat der Gesetzgeber die Rechtsaufsichtsbehörde gestellt. Dem Delitzscher Landratsamt liegt die Drucksache DS 180/07 „ Umsetzung des Stadtratsbeschlusses 116/07 – ZiD GmbH“ gerade zur Prüfung vor. Das Bündnis der besorgten Sieben geht aber fest davon aus, dass die Kommunalaufsicht unter der Leitung von Amtsleiter Steffen Fleischer die Genehmigung verweigert. Geschieht dies, soll die Aktion unverzüglich ins Rollen kommen. Erteilt das Landratsamt indes seinen Segen, könnte der Anteilsverkauf, der vom Rathaus im Wesentlichen bereits vorbereitet ist, sofort umgesetzt werden. Dann will sich die Gruppe an die obere Rechtsaufsichtsbehörde wenden, also das Regierungspräsidium Leipzig.

Doch Podsadny, Bornack & Co. sind zuversichtlich, dass schon Fleischer ablehnt. Am 28. Juni habe der Stadtrat ja überhaupt keinen Verkauf von Anteilen an der TWD beschlossen, sondern in erster Linie die Verschmelzung der bisherigen Stadtwerke-Holding auf die Wohnungsgesellschaft. Im September dann habe das Gremium die Umsetzung des Juni-Beschlusses abnicken dürfen, „dabei hatte sich die neue Vermögensstruktur schon wieder geändert“. Plötzlich sei es um den Verkauf der TWD-Anteile gegangen – und das auch im großen Stil, wodurch die Kommune vom Haupt- zum Minderheitsgesellschafter werde. „So verlieren wir den Einfluss auf die Technischen Werke“, beklagt SPD-Mann Bornack. Dies habe nicht zuletzt erhebliche Auswikungen auf die Menschen in Delitzsch.

STANDPUNKT


Von Dominic Welters

Demoratie

In Anlehnung an eine bekannte Parole aus tiefsozialistischen Zeiten ließe sich über Delitzsch sagen: „Von Leipzig lernen, heißt siegen lernen.“ Auch wenn längst noch nicht raus ist, dass die Messestädter mit ihrem Bürgerbegehren gegen den Teilverkauf ihrer Stadtwerke Erfolg haben werden, eines lässt sich schon jetzt festhalten: Ohne die Initiative an der Pleiße würde es die aktuellen Gedankenspielde am Lober nicht geben. Bekannte Bedenkenträger wie die Stadträte Bornack und Schönherr (beide SPD) sowie Podsadny und Herder (beide Die Linke) wollen, da die Mehrheitsverhältnisse im Rat dem Rathaus in die Karten spielten, das aus ihrer Sicht drohende Unheil nun auf andere Weise verhindern. Sollte es zum Bürgerbegehren kommen, werden rund 2350 Autogramme benötigt, was zehn Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung entspricht. Eine für hiesige Verhältnisse stolze Zahl. Denn der gemeine Delitzscher wirkt ausgesprochen politikmüde. Die Debatte über die neue Struktur der kommunalen Betriebe und damit über die des städtischen Vermögens ist bei den wenigsten Steuerzahlern bislang angekommen. Was möglicherweise am Thema selber liegt. Oder an den politischen Parteien, die hierüber lieber im stillen Kämmerlein debatieren als offen vor allen Wählern. Oder an der Stadtverwaltung, der es gelang, die Öffentlichkeit weitsestgehend herauszuhalten – und die Damen und Herren Abgeordneten dahingehend gern unter Druck setzte, dass sie häufig mit der Verpflichtungserklärung herumwedelte, in der auf höchste Verschwiegenheit gepocht wird. Logisch, dass vor diesem Hintergrund über die Zukunft der Zukunft im Stadtrat stets nichtöffentlich philosophiert wurde. Denkbar also, dass Delitzsch demnächst ein neues Zeitalter erlebt: das von etwas mehr – direkter – Demokratie. Schaden kann´s nicht.

@d.welters@lvz.de

T.S.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch, LOKALES, 26.10.2007, Seite 17


Man hat uns ausgetrickst

Fünf Stadträte und zwei Delitzscher fechten Beschluss zum Verkauf von TWD-Anteilen an und pochen auf kommunale Mehrheit

Von Dominic Welters

Delitzsch. Im Kommunal- und Rechnungsprüfungsamt der Landkreisverwaltung sind sie im Stress. Es gibt allerlei zu checken, und die Mitarbeiterzahl ist auch überschaubar. Obendrein ist die Materie oft ziemlich kompliziert – wie der jüngste Mehrheitsbeschluss DS 180/07 des Delitzscher Stadtrates belegt. Dieser besagt, dass Finanzinvestor H/H-Stadtwerkefonds 37,375 Prozent der Anteile an den Technischen Werken Delitzsch (TWD) erwerben darf. Das ganze soll indirekt geschehen: über eine 49,9-Prozent-Beteiligung an einer gelifteten und von jeglichen Scherben bereinigten Zukunft in Delitzsch GmbH (ZiD). Amtsleiter Steffen Fleischer hat aus dem Rathaus zwar inzwischen alle nachgeforderten Unterlagen erhalten, doch ganz so schnell schießen die Preußen nicht. „Es ist noch eine umfangreiche Prüfung nötig“, teilt er mit. Ende nächster Woche woller er Klarheit haben, ob der Beschluss in der vorliegenden Form genehmigungsfähig ist.

Geschossen wird derweil fleißig aus der oppositionellen Ecke. Nein, betonen sieben besorgte Stadträte und Delitzscher Bürger, nein, für diesen Beschluss wird sich die Rechtsaufsicht im Landratsamt niemals erwärmen können. Die Abgeordneten Annelise Podsadny, Wolfgang Herder und Siegfried Schuh von der Partei Die Linke, die sozialdemokratischen Stadträte Siegfried Schönherr und Jörg Bornack sowie Dietmar Mieth und Raimund Krieger stehen Gewehr bei Fuß für den ihrer Meinung nach sehr wahrscheinlichen Fall, dass Fleischer & Co. Zweifel kommen. Dann wollen sie – in Erwartung eines neuerlichen Versuches der Stadtverwaltung, den Deal per neuerlichem Stadtratsbeschluss doch noch über die Bühne zu bringen – unverzüglich ein Bürgerbegehren initiieren. Gelingt es ihnen, zehn Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung – das sind rund 2350 Personen – zu einer Unterschrift zu bewegen, käme es zum Bürgerentscheid. Und dann soll das Volk als Souverän fixieren, was Drucksache 180/07 aufgibt: die Mehrheitsbeteiligung der Stadt Delitzsch an ihren Energielieferanten. Die siebenköpfige Gruppe pocht auf mindestens 51 Prozent der TWD-Anteile in der Hand der Kommune. Demnächst würden es – da mit der Eon Thüringer Energie AG (ETE) schon länger 25,1 Prozent in Privatbesitz sind – nur noch 37,525 Prozent sein (siehe Grafiken). „Nur so können die Interessen des Gemeinwohls erfolgreich vertreten werden, bleiben städtische Handlungsspielräume erhalten“, heißt es in einem ersten Flugblattentwurf des Septeptts. Die Bereitstellung von Strom, Fernwärme, Gas, Trink- und Abwasser müsse für die Menschen sicher und bezahlbar bleiben. „Der Verkauf ist einmalig. Die zu erwartenden Gewinne der TWD in den Folgejahren werden indes weit weg von Delitzsch ausgezahlt – zum Nachteil der hiesigen Wirtschaft. Handwerk und Handel gehen so Millionen verloren“ heißt es weiter. Zudem würden die Mieter der Wohnungsgesellschaft Delitzsch aufgrund des Ratsbeschlusses vom September „erst recht zum Lastesel für die Risiken aus der Garantie bei der jüngsten Veräußerung des Biomassekraftwerks“, ist SPD-Abgeordneter Bornack überzeugt. Die negativen Auswirkungen der BMKW-Affäre hätten den Kaufpreis für die TWD im Vergleich zum Jahr 2002 halbiert. „Dieser Preis wird sich aber schon bald wieder erholen. Wir verkaufen uns so gesehen unter Wert.

Linke-Fraktionsvorsitzende Podsadny treibt derweil eine andere Sorge um: „Ein Verkauf von TWD-Anteilen wird wohl unumgänglich sein. Aber sobald wir die Mehrheit aufgeben, sind sich der Finanzinvestor und das Unternehmen ETE in der Gewinnmximierung einig – und dann sind wir als Kommune außen vor.

Die jüngste Stadtratsentscheidung steht bekanntlich im Zusammenhang mit jenen 4,2 Millionen Euro, die das Rathaus kurzfristig zur Deckung von TWD-Verlusten ausgeben musste. Die Einbußen des Unternehmens resultierten aus Mindereinnahmen beim Verkauf des BMKW. Jetzt soll das Geld so schnell wie möglich zurück ins Stadtsäckel.

Wie das Ganze vonstatten ging, wurmt SPD-Mann Schönherr noch immer mächtig-gewaltig: „Es ist von der Stadtspitze zum wiederholten Male ein Verfahren gewählt worden, bei dem den Stadträten nur ein einziger Weg aufgezeigt und dann gesagt wurde: »Wenn Ihr das so nicht mitmacht, dann schadet das Delitzsch«“. Leider gebe es im Rat eine große Fraktion, die diese Vorgehensweise immer gleich geschlossen abnickt – „von Martin Wernicke von der FDP mal abgesehen“.

Zurück zu Rechtsaufsichtschef Fleischer im Landratsamt. Der hat seit gestern auch noch Post von Linke-Stadtrat Herder auf dem Schreibtisch. Es geht um besagte Drucksache 180/07. Herder ficht den Beschluss an. Aus mehreren Gründen. Einer hat mit seinem Antrag gleich zu Beginn des Plenums am 27. September zu tun. Der Ortsvorsteher von Benndorf wollte erwirken, dass über den Anteilsverkauf nicht – wie vorgesehen – in nicht-, sondern in öffentlicher Sitzung debattiert wird. „Sitzungsleiter Gerhard Denef hat darüber nicht mal abstimmen lassen. Das geht aus dem Protokoll eindeutig hervor.“ Laut Herder ein Formfehler, der nicht hinnehmbar sei.

Die leidigen Themen Nichtöffentlichkeit und Verschwiegenheitspflicht, die von der Rathaus-Leitung besonders gepflegt werden, bringen Sozialdemokrat Bornack schon länger auf die Palme. „Es kann nicht sein, dass die Stadträte permanent einen Maulkorb verpasst bekommen, später den Bürgern gegenübertreten, aber nichts sagen dürfen.“ Die Öffentlichkeit sei bei allen Beschlüssen zum kommunalen Vermögen stets ausgeschlossen worden. Das widerspreche der sächsischen Gemeindeordnung und sein Grund mehr, dass die Rechtsaufsicht aktiv wird. Überhaupt das ganze Prozedere. „Man hat uns ausgetrickst, mit Papier zugeschüttet“, bekennt Bornack. – Bald könnten er und die sechs anderen Besorgten mit Papier kontern: mit Unterschriftenlisten zum Bürgerbegehren.

Stichwort: Bürgerbegehren


§ 25 der Sächsischen Gemeindeordnung sagt aus:

  1. Die Durchführung eines Bürgerentscheids kann schriftlich von Bürgern der Gemeinde und von nach § 16 Absatz 1 Satz 2 Wahlberechtigten beantragt werden (Bürgerbegehren). Das Bürgerbegehren muss mindestens von 15 Prozent der Bürger der Gemeinde und der nach § 16 Absatz 1 Satz 2 Wahlberechtigten unterzeichnet sein; die Hauptsatzung kann ein geringeres Quorum, jedoch nicht weniger als 5 Prozent festsetzen*. Ein Bürgerbegehren darf nur Angelegenheiten zum Gegenstand haben, über die innerhalb der letzten drei Jahre nicht bereits ein Bürgerentscheid aufgrund eines Bürgerbegehrens durchgeführt worden ist.

  2. Das Bürgerbegehren muss eine mit ja oder nein zu entscheidende Frage und eine Begründung enthalten sowie drei Vertreter bezeichnen, die zur Entgegennahme von Mitteilungen und Entscheidungen der Gemeinde und zur Abgabe von Erklärungen ermächtigt sind. Das Begehren muss einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag zur Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten. Richtet es sich gegen einen Beschluss des Gemeinderats, muss es innerhalb von zwei Monaten nach der öffentlichen Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht werden.

  3. Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet der Gemeinderat. Die Entscheidung ist ortsüblich bekanntzugeben. Ist das Bürgerbegehren zulässig, so ist der Bürgerentscheid innerhalb von drei Monaten durchzuführen. Nach der Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens darf eine diesem widersprechende Entscheidung des Gemeinderats nicht mehr getroffen werden.

*Anmerkung der Redaktion:

§ 18 der Hauptsatzung der Stadt Delitzsch sieht die Unterschrift von 10 Prozent all derer vor, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten in der Großen Kreisstadt wohnen.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch und Umgenung, 26.10.2007, Seite 19


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