Mörtl gewinnt vor dem Arbeitsgericht

Ex-Chef beschert Technischen Werken Delitzsch herbe Schlappe

Von DOMINIC WELTERS

Delitzsch. Die erste seiner diversen Klagen auf Wiedereinstellung hat Lutz Mörtl, geschasster Geschäftsführer der Technischen Werke Delitzsch (TWD), gewonnen. Die 16. Kammer des Leipziger Arbeitsgerichtes erklärte den Rauswurf vom September 2005 wegen Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses jetzt für unwirksam. Das Urteil von Richter Olaf Suckert, das den streitenden Parteien in schriftlicher Form noch nicht vorliegt, bezieht sich auf das wegen Mörtls Ernennung zum Firmenchef seinerzeit ruhend gestellte Arbeitsverhältnis als kaufmännischer Leiter der TWD. Über die fristlosen Entlassungen als Geschäftsführer der Technischen Werke und weiterer städtischer Betriebe hat demnächst das Landgericht Leipzig zu befinden. Der Richter habe in den von Seiten der Beklagten angeführten Vorwürfen keine Kündigungsgründe gesehen, sagte Gerichtssprecher Frank Liedtke gestern auf Anfrage der Kreiszeitung. Als Beispiel nannte Liedtke die leidige Dienstwagen-Affäre. Die TWD halten Mörtl vor, einen Zweitdienstwagen der Marke Audi A8 auf Kosten der ehemaligen TWD-Beteiligungsfirma BMG Recycling GmbH aus Sachsen-Anhalt abgerechnet und seiner Freundin zur Verfügung gestellt zu haben. Das Auto habe ihm zugestanden, hatte Mörtl kurz nach seinem Rauswurf beteuert und auf einen entsprechenden Vertrag vom August 2002 gepocht. Aus dem gehe hervor, dass der damalige Mehrheitsgesellschafter der BMG, Andreas Böhme, den Dienstwagen genehmigte. Dieser Argumentation schloss sich das Gericht an. Sprecher Liedtke: „Der zweite Dienstwagen berührt das Geschäftsführer-Verhältnis zwischen Herrn Mörtl und der TWD und nicht das Arbeitnehmer-Verhältnis.“ Außerdem sei der Vorstand über den zweiten Wagen seit Jahren informiert gewesen.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 18.08.2006, Titelseite


Mörtl-Anwalt: „Das ist ein wichtiger Sieg

Kündigungsstreit - Runde eins an Ex-TWD-Chef

Von DOMINIC WELTERS

Delitzsch. In der Leipziger Rechtsanwaltskanzlei Bonell & Collegen herrscht bei den Advokaten Stefan Tentler und Markus Rudolph so etwas wie stille Genugtuung. Was dieser Tage vor dem Leipziger Arbeitsgericht geschah, stimmt sie hoffnungsfroh für die nächsten Wochen und Monate. Dass der Fall Lutz Mörtl etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, war von vornherein klar. Doch mit dem ersten Richterspruch im Rücken lassen sich die übrigen anhängigen Kündigungsschutzklagen wahrscheinlich leichter bestreiten. „Das ist ein ganz wichtiger Sieg“, meinte Rudolph auf Anfrage der Kreiszeitung. „Das Gericht hat nicht einmal eine Beweisaufnahme durchgeführt, es ist also den Beweisangeboten der Gegenseite überhaupt nicht nachgegangen.“ Ein interessanter Fakt, ein gutes Zeichen, findet der 38-Jährige - auch wenn die schriftliche Urteilsbegründung noch aussteht. „Das kann schon noch ein wenig dauern“, so Rudolph. Ändert aber nichts am Fakt: Die Kündigung des einst wegen der Beförderung Mörtls zum Firmenchef ruhend gestellten Arbeitsverhältnisses als kaufmännischer Leiter der Technischen Werke Delitzsch (TWD) ist unwirksam.

Rudolph und sein Mandant, der im September 2005 vor die Tür gesetzte Mehrfach-Geschäftsführer bei Delitzscher Kommunalbetrieben, hatten mit Freude erleben dürfen, wie Richter Olaf Suckert hinlänglich bekannte Vorwürfe wie die berühmte Bärenjagd, der zweite Dienstwagen oder auch formelle Verstöße, etwa das Übergehen des Aufsichtsrats, als Gründe für die abrupte Beendigung des ruhenden Arbeitsverhältnisses als kaufmännischer Leiter nicht gelten ließ. Rudolph: „Es war ja bis zuletzt fleißig gesucht worden, um die Kündigungen wegen Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses nachträglich zu untermauern.

Die Beklagten-Seite hält sich mit Statements vorerst zurück. Philipp Ballering von der Düsseldorfer Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, der die TWD vertritt, verwies auf die grundsätzliche Berufungsmöglichkeit in arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren. Vor dem genauen Studium des schriftlich abgefassten Urteils, mit dem auch der 31-jährige Anwalt erst in ein paar Wochen rechnet, sei der Vorgang als „schwebend“ zu betrachten. „Deshalb nehmen wir zu der Sache zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch keine Stellung.“ Hinsichtlich der anhängigen Verfahren vor der 5. Kammer für Handelssachen am Leipziger Landgericht, in denen es ebenfalls um die Rechtswirksamkeit von Kündigungen und um Gehaltsansprüche geht (wir berichteten), verbreitet der promovierte Jurist Gelassenheit. Hierbei stehen die Geschäftsführer-Verhältnisse zwischen Mörtl und den Technischen Werken Delitzsch, den Stadtwerken Delitzsch, der Gasversorgung Delitzsch sowie den TWD-Beteiligungen BMG und SVG in Rede. „Unser Kenntnisstand ist, dass die Klage-Stattgabe zugunsten von Herrn Mörtl vor dem Arbeitsgericht ausschließlich auf arbeitsrechtlichen Erwägungen beruht. Der Status als Arbeitnehmer und der eines Geschäftsführers sind insoweit juristisch nicht zu vergleichen. Wir sehen deshalb auch keine Implikationen für die landgerichtlichen Verfahren“, sagte Ballering.

Aus dem Rathaus gab es zur jüngsten Entwicklung an der Gerichtsfront gestern nur eine Stellungnahme. Da Oberbürgermeister Heinz Bieniek (CDU) im Urlaub weilt und Rechtsamtsleiterin Beate Miketta wegen Krankheit bis Ende der Woche ausfällt, betonte Bieniek-Stellvertreter Gerhard Denef (CDU): „Es ist überhaupt noch nichts entschieden. Auch nicht, dass wir Herrn Mörtl unverzüglich wieder einstellen oder abfinden müssen, wie hier und da behauptet wird.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 18.08.2006, Seite 3



STANDPUNKT


Bumerang

Von DOMINIC WELTERS

Jetzt wird die Luft allmählich dünn für die kommunalen Firmen, in denen Lutz Mörtl mal was zu sagen hatte - und damit auch für die Stadt Delitzsch überhaupt. Die Arbeitsgerichtsentscheidung im Kündigungsfall des Arbeitnehmers Mörtl könnte für die Verfahren am Landgericht, in denen es um seine diversen Geschäftsführer-Posten geht, ein Fingerzeig gewesen sein. TWD-Anwalt Ballering mag das anders sehen. Doch Ersturteile sind prägend und stoßen Richter-Kollegen mitunter an, ähnlich zu entscheiden. Was all jene erneut auf den Plan rufen wird, die seit langem davor warnen, dass da ein gewaltiger Bumerang in Richtung Rathaus unterwegs ist. Einer, der richtig teuer werden kann. Denn dass das Vertrauensverhältnis zwischen Delitzsch und Mörtl für alle Zeit hinüber ist, dürfte klar sein. Sollte Mörtl also weitere Siege davontragen und tatsächlich wieder eingestellt werden müssen, wird die Stadt ihn nur über hohe Abfindungen los.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 18.08.2006, Seite 3


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