Bärenfell wird zum Stolperstein

Kündigungsgründe für TWD-Chef auch Jagd in Russland und Kuba-Zigarren / Richter verlangt Quittungen und Belege

Von LUTZ SCHMIDT

Leipzig/Delitzsch. Der Vorsitzende Richter am Landgericht Hans-Joachim Zügler rollte gestern den Aktenwagen in den Gerichtssaal 439 in der Leipziger Bernhard-Göring-Straße. Rechtsanwalt Stefan Tentler schleppte einen großen Karton mit Unterlagen heran, und die Stühle waren so knapp, dass die Filmleute von Sachsen-TV nur am Boden Platz fanden.

Das Interesse an dem Verfahren in Sachen Lutz Mörtl gegen Delitzscher Unternehmen war groß. Der Ex-Geschäftsführer der Technischen Werke Delitzsch (TWD) und ehemalige Chef von Tochterunternehmen hatte gegen seine Entlassung im September des vorigen Jahres geklagt.

Die Kündigungsgründe der Gegenseite sind so reichlich aufgelistet, dass der Richter mahnte: „Das Verfahren könnte sehr lang werden.“ Um alles zu vereinfachen, holte er sich bei den Anwälten die Zustimmung für das (juristische) Zusammenlegen der drei Fälle. Neben den TWD betrifft das die Stadtwerke Delitzsch (SWD) und das Recycling-Tochterunternehmen SVG aus Zeitz.

Zwei der Kündigungsgründe wurden in der Verhandlung vor der 5. Kammer für Handelssachen am Landgericht gestern näher beleuchtet. Die Mörtlsche Bärenjagd in Russland, die 14.000 Euro gekostet haben und aus der Firmenkasse bezahlt worden sein soll, gehörte dazu. Jetzt bezogen die Anwälte in den juristischen Schlagabtausch sogar das Fell ein, das Meister Petz über die Ohren gezogen wurde. Wie viel kostete das Präparieren? Dies sowie die Zollgebühren bezahlte sein Mandant selbst, erklärte Anwalt Markus Rudolph. Und Mörtl: „Auch die Übernachtungskosten in Moskau habe ich selbst bezahlt.“ Wo sind die Belege, Rechnungen und Quittungen?, fragte Richter Zügler an Kläger und Verklagte gewandt. „Die Russlandbärenjagd sollte angeblich der Anbahnung von Geschäftsverbindungen dienen. Aber es war eine Zwölf-Tage-Reise“, warf Rechtsanwalt Heinz Josef Willemsen seine Zweifel in die Waagschale.

Angekreidet werden dem Ex-Geschäftsführer der Technischen Werke Delitzsch übrigens auch 80 Euro, die für kubanische Monte-Christo- und Cohiba-Zigarren ausgegeben wurden. „Da müsste aber bewiesen werden, dass er sie privat verschenkt hat,“ so der Richter.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 23.06.2006, Seite 3


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