„Feuerwehrmann“ soll Holz beschaffen

Delitzsch (dom). Nach der Kündigung des Vertrages mit drei Zulieferern des Biomassekraftwerkes Delitzsch nebst Holzkontor hat das Energie-Unternehmen Eon jetzt einen Nothelfer an den Lober entsandt. Bis Ende des Monats soll sich Joachim A. Schmitz um die Beschaffung von Brennstoffen für die Biostrom-Fabrik in der Carl-Friedrich-Benz-Straße kümmern. Der Rheinländer, seit drei Jahren für die Lieferanten-Betreuung im Biomasseheizkraftwerk Emden zuständig, befindet sich nach eigenen Angaben derzeit in Verhandlung mit zehn potenziellen neuen Partnern.

Leipziger Volkszeitung, 07.04.2006, Titelseite


„Zwei Stillstände sind eh geplant“

Stadträte und andere Delitzscher besichtigen umstrittenes Biomassekraftwerk

Von DOMINIC WELTERS

Delitzsch. Anderthalb Jahre ist es her, dass SPD-Stadtrat Jörg Bornack erstmals öffentlich um eine Besichtigung bat. Am Mittwochnachmittag wurde ihm und weiteren 20 Delitzschern Einlass gewährt. Nichtsdestotrotz: Der späte Zeitpunkt hatte es in sich. Das Biomassekraftwerk (BMKW) in der Carl-Friedrich-Benz-Straße samt benachbartem Holzkontor Sachsen (HKS), von kommunalen Abgeordneten und engagierten Umweltschützern wegen erheblicher Zweifel an Auslastung und Wirtschaftlichkeit sowie der befürchteten Spontan-Mutation zur Müllverbrennungsanlage schon länger kritisch beäugt, steht gerade erst wieder im Fokus. Diesmal, weil die BMKW GmbH vor wenigen Tagen den Kooperationsvertrag mit drei Zulieferern fristlos gekündigt hatte (wir berichteten). Seither halten sich die Gerüchte hartnäckig, das Kraftwerk produziere derzeit gar keinen per Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) subventionierten Biostrom. Den Betreibern der seit 1. April 2005 offiziell am Netz hängenden Anlage sei der Altholz-Nachschub ausgegangen.

Das ist völlig aus der Luft gegriffen“, beteuerten die Gastgeber am Besichtigungstag einmal mehr. Michael Schmidt, Geschäftsführer der Biomassekraftwerk GmbH und Abgesandter von Anteilseigner Eon Thüringer Energie AG, bestätigte die zuletzt von Olaf Werner, dem Sprecher der Erfurter Tochter des Strom- und Erdgas-Riesen, gegenüber der Kreiszeitung gemachten Angaben. Durch die Vertragskündigung habe es „in der Tat einen kurzfristigen Engpass beim Brennstoff gegeben“. Aber seit einer Woche laufe das Kraftwerk „wieder durchgängig und störungsfrei“. Die Zeit zwischen dem 26. März abends und dem 29. März mittags sei unter anderem für Wartungsarbeiten genutzt worden, hieß es. Schmidt: „Zwei Stillstände im Jahr sind eh geplant. Einer im Mai, einer im November, insgesamt 17 Tage.

Der BMKW-Chef bestätigte zudem, dass die Trennung von der bisherigen Lieferanten-Arge – darunter die auf Schadenersatz klagende Heisterner Holz-Recycling GmbH aus Sandersdorf bei Bitterfeld – „wegen zunehmend schlechter Qualität“ unumgänglich gewesen sei. „Ein schleichender Prozess. Seit Sommer musste das Holzkontor immer öfter Lieferungen abweisen. Wir können nun mal nicht mehr als drei Gewichtsprozent Störstoffe verfeuern, ansonsten gibt’s Ärger und die Wirtschaftlichkeit ist nicht gegeben. Jeder Stein tut uns richtig weh.“ Für andere Stoffe als solche der Kategorien AI bis AIV der Altholz-Verordnung seien Anlage und Rost im Feuerraum im Übrigen auch nicht geeignet, meinte Schmidt zu der von vielen befürchteten „Umwidmung zur Müllverbrennungsanlage“.

Kritische Blicke von den immer wieder hartnäckig nachfragenden Stadträten und interessierten Bürgern – darunter neben Umwelt- auch Kraftwerksexperten – erntete Schmidt, als es um die Auslastung der Anlage ging. Die derzeit immens hohen Kosten für die Beschaffung von Altholz würden vom HKS, das als eigenständige GmbH mit dem BMKW durch einen Dienstleistungsvertrag verbunden ist, doch „gnadenlos durchgereicht“, wie SPD-Mann Bornack meinte. Dabei könne aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht doch nicht viel Gutes herauskommen. Mit konkreten Umsatzergebnissen hielten die Gastgeber indes hinterm Berg, verwiesen stattdessen auf Plan-Zahlen: Im vergangenen Jahr produzierte das Werk rund 140.000 Megawattstunden Biostrom. Den momentanen Optimal-Fall stellten bei 8.000 Betriebsstunden unter Volllast-Bedingungen im Jahr 149.000 Megawattstunden dar, meinte der technische Leiter Eberhard Oppermann auf Nachfrage.

Für 20 Megawatt Leistung ist das Werk ausgelegt, 18,5 Megawatt gelten als optimal, 19,5 Megawatt stellen eine Art Traummarke dar. Während des zweistündigen Rundgangs lag die Anlage bei knapp 18 Megawatt.

Manfred Stieler, einer der Teilnehmer und einst bei der VEAG (heute Vattenfall) tätig, am Ende der Besichtigungstour: „Mich hat interessiert, mit welchen Parametern hier wirklich gearbeitet wird, denn die Rauchgasmenge war bei der ursprünglichen Planung deutlich kleiner angesetzt worden; etwa auf dem Stand, auf dem das Werk zurzeit gefahren wird.“ Für ihn stelle sich daher nach wie vor die Frage, „ob das BMKW letztlich nicht zu groß ausgefallen ist“.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 07.04.06, Seite 3



Holzkontor – Schmitz soll´s richten

Eon-Mitarbeiter sucht neue Lieferanten aus der Region

Delitzsch (dom). Der Mann ist als Unternehmensberater eigentlich nur freier Mitarbeiter bei der Eon. Doch der Mann kennt sich bestens aus mit den Biomasseheizkraftwerken des Energie-Giganten. Speziell mit dem in Emden, weil er dessen Altholz-Lieferanten aus den Niederlanden betreut. Seit vorigen Mittwoch ist Joachim A. Schmitz dafür verantwortlich, dass die Holzkontor Sachsen GmbH (HKS) genügend Brennstoff fürs Delitzscher Biomassekraftwerk (BMKW) akquiriert. 450 Tonnen Altholz braucht es täglich, damit neben dem riesigen, rund zehn Millionen Euro teuren Kontor Biostrom produziert werden kann.

Die Kündigung des Vertrages mit den bisherigen Partnern, die Krisenmanager Schmitz letztlich nach Sachsen führte, hält der 55-jährige Rheinländer für „die unzweifelbar einzig richtige Entscheidung. Was da zuletzt angeliefert wurde, war unzumutbar“, sagte er während der Visite des Kontors durch Stadträte und andere Delitzscher am Mittwochnachmittag. Und versprach, „dass ich meinen Job so machen werde, dass die Halle ruckzuck wieder voll ist. Und zwar mit einwandfreiem Material.“ Der von HKS-Geschäftsführer Horst Miketta eingeschlagene Weg, penibel darauf zu achten, dass Lieferungen mit zu vielen Störstoffen abgewiesen werden, sei „absolut in Ordnung. Wir bei Eon arbeiten sauber.“ Bekanntlich dürfen im BMKW auch kontaminierte Althölzer der Kategorien A III und A IV verfeuert werden. Mit einem ersten Lieferanten, der A-IV-Hölzer besorgt – darunter fallen mit Giftstoffen behandelte Bahnschwellen –, wurde Schmitz gerade handelseinig. „Bis Ende des Monats habe ich zehn weitere Anbieter aus der Region an der Hand.“ Er sehe seine Aufgabe „in dieser Notsituation“ auch darin, die Preise „schön niedrig zu halten“.


LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 30.03.06, Seite 3


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