„Habe ausgebügelt, was andere verbockt haben“

Ex-Geschäftsführer der Technischen Werke Delitzsch, Lutz Mörtl, über seine Vergünstigungen und die Vorwürfe gegen ihn

Delitzsch. Muss einer, der 120.000 Euro für einen Geschäftsführerposten im Jahr kassiert auch noch zwei Dienstwagen fahren und sich ein 14.000 Euro teures privates Jagdabenteuer im Ausland bezahlen lassen? Die Wogen um den entlassenen Geschäftsführer der Technischen Werke Delitzsch (TWD), Lutz Mörtl, schlagen hoch. Exklusiv in der Kreiszeitung spricht der 49-jährige Poritzscher darüber, wie er zu diesen Vergünstigungen kam und was an den Vorwürfen dran ist, dass er in dubiose Müllgeschäfte verstrickt sein könnte.

Frage: Das Biomassekraftwerk, an dem die TWD beteiligt sind, hatte zu Ihren Zeiten erhebliche Betriebsprobleme. Jetzt soll es angeblich bestens laufen. Lagen die Störungen vielleicht daran, dass dort nicht nur Altholz, sondern auch ganz gewöhnlicher Müll verfeuert wurde?

Lutz Mörtl: Da ist definitiv kein Müll verbrannt worden. Das belegen Analyseproben, die regelmäßig gezogen wurden. Es ist auch nicht richtig zu sagen, dass in dem Kraftwerk nur Holz verbrannt werden kann. Verbundstoffe mit mehr als 50 Prozent Holz sind ein vertragsgerechter Brennstoff . Also auch Sperrmüll. Das heißt, wenn dort ein geschreddertes Sofa und Stoffreste in den Ofen kommen, dann ist das legal. Ich möchte auch mal darauf hinweisen, dass ich ja nicht am Förderband des Holzkontors gestanden habe, als die Lkw mit den Brennstoffen entladen wurden. Da gab es auch noch den Betriebsleiter Herrn Lutzmann (der Schwiegersohn von Hedwig Reiter, der Chefin der städtischen Wohnungsgenossenschaft WGD, d. Red.) und Herrn Miketta, der mich als Geschäftsführer des Holzkontors am 1. August abgelöst hat (Miketta ist der Ehemann der Justiziarin im Delitzscher Rathaus, d. Red.).

Möglicherweise wird die sächsische Anti-Korruptionseinheit Ines sich bald mit der Sache beschäftigen.

Ich sehe dem gelassen entgegen.

Sehen Sie sich als TWD-Chef so erfolglos, wie Ihnen vom Aufsichtsrat nachgesagt wird?

Nein, die Jahresabschlüsse waren in Ordnung. Und dass das im vorigen Jahr in Betrieb genommene Biomassekraftwerk, an dem die TWD beteiligt sind, teurer geworden ist und dass der vertraglich gebundene Holzlieferant in einer entscheidenden Phase abgesprungen ist, kann mir doch niemand anlasten. Ich bin losgefahren, habe das ausgebügelt, was andere verbockt haben, und das Holz organisiert.

Sie haben Ihrem Mitarbeiter bei den TWD, Ihrem Jagd- und Duzfreund Matthias S. eine satte Gehaltszulage zugestanden. Ein Freundschaftsdienst?

Für die monatlich 750 Euro hat er auch Leistungen erbracht. Zunächst war Herr S. für die Akquisition von Gewerbeflächen im Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest zuständig. Dieser Gesichtspunkt wurde im Arbeitsvertrag aufgenommen zur Begründung der Zulagen. Nach einiger Zeit übernahm er dann neue, noch umfangreichere Projekte, insbesondere als Sicherheitskoordinator für Drittfirmen sowie in letzter Zeit als Mitarbeiter im Stromvertrieb. Diese Tätigkeiten, zum Beispiel als Sicherheitskoordinator, erbrachten für die TWD erhebliche Zuflüsse. Deshalb war die Gehaltszulage mehr als angemessen.

Bleiben noch die Untreuevorwürfe gegen Sie, zum Beispiel die Bärenjagd 2004 in Russland, die die TWD-Tochter BMG/SVG bezahlt hat.

Die Reise diente der Beschaffung von Bahnschwellen und anderem Altholz aus Russland. Der dauerhafte Betrieb des Bioenergie-Kraftwerkes kann nur dann gewährleistet werden, wenn ausreichend Brennstoffe zu einem angemessenen Preis vorhanden sind. Da es im westeuropäischen Raum zunehmend schwerer geworden ist, derartige Brennstoffe zu beschaffen, waren die BMG und SVG gehalten, in Osteuropa, insbesondere in Russland neue Lieferanten für Altholz, vor allem Bahnschwellen, zu finden. Ich habe in Russland erste Kontakte mit einem Holzlieferanten geknüpft, der ein Volumen von 30.000 bis 50.000 Tonnen Altholz jährlich über einen Zeitraum von 20 Jahren grundsätzlich in Aussicht stellen konnte. Geschäftskontakte in Russland beschränken sich nun mal nicht nur auf die reinen Vertragsverhandlungen. Gemeinsame Jagdausflüge sind dort allgemein üblich. Ein Geschäftsmann, der dort Geschäfte tätigen will, ohne sich auf private Beziehungen mit dem russischen Partner einzulassen, wird dort unweigerlich scheitern. Dies gilt auch für die Politik, wie der gemeinsame Saunabesuch zwischen Altbundeskanzler Kohl und Herrn Jelzin als auch Kutschfahrten des Nochbundeskanzlers Schröder mit der Familie Putin zeigen. Ich habe die Reise auch nicht eigenmächtig auf Kosten der BMG/SVG unternommen. Ich wurde vom Mehrheitsgesellschafter und Mitgeschäftsführer Andreas Böhme darum gebeten. Er hat die Reise selbst gebucht.

Wozu brauchten Sie aber noch einen Dienstwagen von der BMG/SVG? Sie hatten doch einen Audi A 6 von den TWD.

Ich nutze den Wagen seit 2002, vor allem auf längeren Reisen, und es ist auch nicht so, dass nur meine Freundin damit gefahren wäre. Für die private Nutzung wurde ein Prozent des Bruttolistenpreises monatlich mit meinem Gehalt verrechnet. Der Firmenwagen von der BMG Recycling GmbH stand mir nach meinem Geschäftsführervertrag zu. Die entsprechende Änderung des Vertrages wurde von Andreas Böhme genehmigt. Nach anonymen Hinweisen gab es im Jahr 2003 schon mal eine Überprüfung. Dabei wurde festgestellt, dass der Vorgang mit dem Dienstwagen ordnungsgemäß und nicht zu beanstanden war. Dieser Prüfbericht lag auch dem Aufsichtsrat der TWD und seinem Vorsitzenden, Oberbürgermeister Heinz Bieniek, vor.

Interview: Klaus Staeubert

LVZ-Kreiszeitung vom 05./06.10.2005


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