"Müllverbrennung ist die schlechteste aller Varianten"

Delitzsch. Der Kreistag berät heute in öffentlicher Sitzung ab 16 Uhr in der Richard-Wagner-Straße auch die Beschlussvorlage "Öffentlich-rechtliche Zweckvereinbarung zur abfallwirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachen (ZAW) und dem Landkreis Delitzsch". Die Bürgerinitiative "Müllverbrennung Delitzsch? Nein!" sieht in der derzeitigen Fassung des Vertrages einen "Blankoscheck" für die Kreisverwaltung und den Zweckverband, weil wichtige Details fehlten und er "so jeglicher parlamentarischer Kontrolle" entzogen werde. Zuvor hatte die PDS-Kreistagsfraktion bereits den Vertrag kritisiert (LVZ berichtete).

Während einer Bürgerversammlung, an der etwa 100 Männer und Frauen, Betroffene und Sachverständige, teilnahmen, wurde erneut über die Errichtung einer Müllverbrennungsanlage (MVA) durch die Kreiswerke Delitzsch GmbH, als auch über den Bau von Biomassekraftwerken (im Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest und in der Zuckerfabrik) debattiert. Sehr ausführlich, auch populärwissenschaftlich dargestellt, machte Dr. Herman Kruse vom Toxikologischen Institut Kiel darauf aufmerksam, dass die Belastungen der "so genannten Biomassekraftwerke" erheblich höher ausfallen können, als bislang angenommen. Eingangskontrollen der zu verbrennenden Materialen würden der Erfahrung nach unzureichend erfolgen. Es könnten Schadstoffe unbeschadet den Verbrennungsprozess überstehen und an die Luft abgegeben werden. "Was fehlt, ist vor allem eine Untersuchung der Vorbelastung des Delitzscher Raumes. Sie sollte Bestandteil einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sein." Ohne diese Werte sei eine toxikologische Gesamtbelastung nicht zu beurteilen, sichere Grenzwerte schwer zu benennen. "Wir wissen also nicht, ob rein rechtlich weitere Verbrennungsanlagen zulässig sind."

"Eine MVA muss kontinuierlich laufen, braucht ständig neuen Müll. Eine Müllvermeidung ist unter den Rahmenbedingungen eigentlich nicht möglich", teilte Prof. Finster, Umweltbund Ökolöwen Leipzig, mit. "Müllverbrennung ist die schlechteste aller Varianten der Müllverwertung."

Auf den Zusammenhang Transport und Kosten wies Michael-A. Lauter hin. Steigende Energiepreise und -steuern würden auf die Bürger umgelegt. Mehr Verkehr belaste die Umwelt und damit den Menschen. Wird der öffentlich-rechtliche Vertrag durch die Kreisräte bestätigt, wird Müll aus dem Kreisgebiet Delitzsch in die Mechanisch-Biologische Anlage (MBA) nach Cröbern transportiert, die heizwertreiche Fraktion kommt zurück und wird in der MVA verbrannt, die Rückstände aus dem Prozess werden dann in Gröbern deponiert. Die Bürgerinitiative stellte schließlich in Frage, ob der ZAW seine Mülllieferungen nach Delitzsch überhaupt "einhalten kann", denn den Bau einer MVA (300.000 Tonnen pro Jahr) bei Weißenfels plant bereits ein Anteilseigner des ZAW. "Was dann?"

D. W.

LVZ-Online, 27.11.2002