Sonderausschuss wirft Behörden Versäumnisse vor

Delitzsch. Der vom Stadtrat eingesetzte Akteneinsichtsausschuss, der zur Untersuchung der Vorgänge um den geplanten Verkauf eines Grundstücks für eine Müllverbrennungsanlage (MVA) im Industrie- und Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest eingesetzt worden war, hat den örtlichen Behörden Versäumnisse vorgeworfen. Der Ausschuss, dem Vertreter aller Fraktionen angehörten, legte auf der Parlamentstagung in der vorigen Woche seinen Abschlussbericht vor. Darin kritisiert er die Stadtverwaltung vor allem deshalb, weil sie die "Anliegen und Argumente von Stadträten" nicht ernst genommen und nicht verhindert habe, dass der strittige Vertrag am 14. Februar ohne abschließende rechtliche Prüfung notariell beurkundet wurde. Dies sei "von zahlreichen Stadträten als Brüskierung und Missachtung des Stadtrates empfunden" worden und hätte zu einer Verschlechterung des Arbeitsklimas im Stadtrat geführt. Dem Landratsamt hielt das Gremium vor, bei der Überprüfung des Vertrages nicht alle bekannten Fakten von vornherein einbezogen zu haben. Außerdem empfahl der Sonderausschuss dem von der Stadt Delitzsch und der Gemeinde Neukyhna zur Vermarktung des Industrieparks eingesetzten Zweckverband, seine Verbandssatzung zu ändern, um "verschiedene Interpretationen von Abstimmungsergebnissen" künftig auszuschließen.

Wie berichtet, hatte der Zweckverband am 17. Dezember letzten Jahres den Grundstückskaufantrag der Kreiswerke Delitzsch GmbH behandelt. Das Unternehmen wollte sich zunächst eine Kaufoption für das künftige MVA-Gelände sichern. "Ein Delitzscher Verbandsrat stimmte dagegen, um zu erreichen dass die Parlamente in die Entscheidungsfindung einbezogen werden", resümierte der Vorsitzende des Akteneinsichtsausschusses, Siegfried Schönherr, in seinem Bericht. Eine solche Verfahrensweise hätten die Delitzscher und Neukyhnaer Verbandsräte in einer früheren Protokollnotiz ausdrücklich vereinbart. Schönherr: "Alle Verbandsräte gingen davon aus, dass nun dementsprechend verfahren wird." Stattdessen erklärte die Rechtsaufsichtsbehörde, das Landratsamt, nach Ablauf der Widerspruchsfrist den Beschluss zur Kaufoption als gefasst. Erst im Nachhinein korrigierte es seine Auffassung und begründete dies mit nunmehr entdeckten Formfehlern. So war unter anderem die Einladung an den Delitzscher Verbandsrat Albert Kunze (PDS) nicht vollständig und die Abstimmung zum Vertrag erfolgte am 17. Dezember gleich dreimal - immer mit demselben Ergebnis, dass - im Gegensatz zu den Neukyhnaer Vertretern - die Delitzscher Seite uneinig war.

Albert Kunze erklärte in der Zwischenzeit, dass er seine Mitarbeit in dem Zweckverband erst dann wieder aufnehmen werde, wenn eine neue Verbandssatzung die Abstimmungsanforderungen konkretisiert. Unklar ist, wie eine geplante neue Abstimmung zu dem Optionsvertrag überhaupt ausgeht. Denn noch ist ein Beschluss des Stadtrates vom 24. Januar rechtskräftig. Darin hatte es der Stadtrat mehrheitlich abgelehnt, seine sechs Verbandsräte anzuweisen, einheitlich für die Müllverbrennungsanlage zu stimmen.

Klaus Staeubert

LVZ-Online, 04.06.2002