Müllverbrennung in Lippendorf - Investor-Plan stößt auf Ablehnung

ZAW-Chef sauer / Landrätin gegen Vorhaben wegen ähnlicher Projekte in Sachsen-Anhalt und Delitzsch

Mit Ablehnung haben Politiker in und um Leipzig auf die Pläne eines Investors reagiert, der in Lippendorf eine Müllverbrennungsanlage bauen möchte. Während die einen keinen Bedarf dafür sehen, fürchten andere um ihre Wohnsiedlungen oder warnen vor höheren Entsorgungsgebühren.

"Ein bisschen überrascht" von der Ankündigung aus der vergangenen Woche sei er selbst gewesen, erzählt Horst-Günther Hesse, Leiter des Bereichs Abfallverbrennungswirtschaft beim Stromriesen Eon. Für den soll am Kraftwerk Lippendorf mit einer Leistung von 330.000 Tonnen pro Jahr der "größte Abfallverbrennungskessel Deutschlands" errichtet werden, posaunte der Anlagenbauer "mg technologies" heraus. Kosten: rund 100 Millionen Euro. Der Müll von 800.000 Menschen könne verarbeitet werden, besagte eine Pressemitteilung. "Baubeginn wird Ende des Jahres sein, die Inbetriebnahme ist für Mitte 2005 vorgesehen." 60 Arbeitsplätze entstünden.
Von derartigen Bauplänen wusste in der Region bislang allerdmgs fast niemand. Nach Mitteilung von Landrätin Petra Köpping fehlen auch jegliche Unterlagen. Nur das Regierungspräsidium weiß etwas mehr. "Wir rechnen mit einem Antrag im ersten Halbjahr", sagt Umwelt-Abteilungsleiter Leo Artmann. Dann werde ein etwa siebenmonatiges immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren eingeleitet. Sollten alle Auflagen erfüllt sein, ließe sich eine solche Anlage kaum ablehnen, so Artmann. Aber er ist skeptisch: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine reine Müllverbrennung hier eine Chance hat."
Bis Anfang vorletzten Jahres hatte der Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW) selbst noch auf Müllverbrennung in Lippendorf ab 2005 gesetzt. Dann aber erlaubte eine Gesetzesänderung die Mechanisch-Biologische Abfallbehandlung (MBA) vor der Deponierung. Weil der ZAW dadurch die zu groß angelegte Deponie Cröbern weiter nutzen und auch abzahlen kann, schwenkten die Verbandsmitglieder Stadt Leipzig, das Leipziger Land und das Muldental um. Ergebnis: Nun soll bis 2005 eine MBA für 300.000 Tonnen entstehen. Die Hälfte fällt beim ZAW selbst an, den Rest bringt Partner Sita Ost mit.
"Auch in einer MBA fallen 40 bis 50 Prozent Stoffe an, die verbrannt werden müssen", erläutert Hesse das Ziel von Eon. Zudem würden im ganzen Land Müllmengen zur Entsorgung ausgeschrieben. Dafür bewerbe sich Eon. Wenn genug zusammen ist, werde die Anlage gebaut. Hesse kündigte an, jetzt das Gespräch mit Vertretern der Region zu suchen.
Die sind auf ihn aber nicht gut zu sprechen. ZAW-Chef und Leipzigs Bürgermeister Holger Tschense: "Wer ein Projekt so angeht, kann nicht mit unserer Unterstützung rechnen." Zwei Jahre lang sei völlige Ruhe gewesen, "es hat keine Gespräche vorabgegeben - nichts", erklärt Tschense. Der ZAW habe inzwischen einen Abnehmer für die so genannte heizwertreiche Fraktion aus der MBA. Die Stoffe würden außerhalb des Verbandes verbrannt, "zu einem sehr guten Preis", so Tschense.
Maria Gangloff, Bürgermeisterin von Böhlen, sorgt sich derweil um ihre Stadt. "Nur 50 Meter Abstand würde es zwischen der Müllverbrennungsanlage und unserer Wohnsiedlung Gaulis geben", erklärt sie. Aus städtebaulicher Sicht sei sie gegen das Vorhaben.
Landrätin Köpping führt regionalplanerische Gründe ins Feld. In Zeitz sei eine Anlage geplant, in Leuna, in Halle-Lochau, in Delitzsch und nun auch noch in Lippendorf. "Wir haben einfach zu wenig Abfall für so viele Anlagen", sagt sie. Sie befürchtet, dass private Investoren - wie schon bei Cröbern - erst Tatsachen schaffen, und dann der ZAW per Gesetz verpflichtet wird, die Anlage zu bedienen. "Am Ende müssen die Bürger die Zeche zahlen", befürchtet die Landrätin.

J. ter Vehn

Bild fehlt

Wohnsiedlung Gaulis



Nachbarn: Nur 50 Meter Abstand von der Wohnsiedlung Gaulis hätte die Müllverbrennungsanlage, neben dem Kraftwerk Lippendorf, entstehen sollen.
Foto: A. Kempner


LVZ, 05.02.2002