Bürgerbegehren setzt sich inhaltlich durch

Mehrheit wollte nicht erst auf Bürgerentscheid warten – Bebauungsplan- und Naturparkverfahren wurden ausgesetzt

MARKT TASCHENDORF (anr) – Es war eine ungewohnte Atmosphäre im Markt Taschendorfer Gemeinderat. Vor fast vollen Rängen blickten die meisten Räte zunächst ernst und still vor sich hin, als am Dienstag die Zukunft der Bodensanierung Franken zur öffentlichen Beratung anstand.

Ulrike Ikmeier war nach einer Zeit des Schweigens die Erste, die nach Aufruf des Tagesordnungspunkts „Bürgerbegehren gegen die geplante Immobilisierungsanlage“ das Wort ergriff. Wenn das Bürgerbegehren die Formalien erfüllt, dann müsse man es auch zulassen.

Bürgermeister Christian Göttfert gab eine seiner an diesem Abend zahlreichen Erklärungen zu verfahrenstechnischen Fragen. „Theoretisch könnte man den Bürgerbegehren-Antrag noch für eine kurze Zeit zurückstellen, aber das sei wohl nicht angezeigt.“ Eine Verlegung hätte das eigentliche Problem nicht gelöst.

Die zwölf Räte und der Bürgermeister hielten das Begehren zwar für formell zulässig. Die nächste Stufe, den Bürgerentscheid, wollte eine Mehrheit von acht Ratsmitgliedern aber vermeiden. Das koste Zeit, Geld und bestätige aller Voraussicht ohnehin die Zielrichtung des Bürgerbegehrens, argumentierte Göttfert. Zudem könne ein Wahlkampf den Dorffrieden nachhaltig stören. Schließlich hatten über 350 Einwohner also fast die Hälfte der Markt Taschendorfer Wahlberechtigten den Antrag unterzeichnet.

Jedoch gab es auch andere Stimmen im Rat. Vor allem auch Dieter Heimüller und Konrad Mai plädierten dafür die Bürger tatsächlich zu den Wahlurnen zu rufen. Heimüller sagte, bei 350 Unterzeichnern blieben 450 Wahlberechtigte übrig, die nicht unterschrieben haben. Die sollte man auch noch fragen. Und Mai fühlte sich vom Bürgerbegehren unter Druck gesetzt: „Das ist eine Diktatur.“ Man müsse die Bürger nur gut und richtig informieren.

Der Verzicht auf ein Bürgerentscheid bedeute auch, das die Gemeinde das Ziel des Bürgerbegeherens nicht mehr zurückweisen konnte. Doch ganz folgen würden sie ihm auch nicht. Ein entsprechender Beschlussvorschlag wurde bei nur zwei Ja-Stimmen abgelehnt.

So werde der Rat verpflichtet, einen eigenen Beschluss im Sinne des Bürgerbegehrens zu fassen. Das Geremium fasste gleich zwei Beschlüsse: zum einen wolle man eine Immobiliesierungsanlage verhindern, entschied eine Mehrheit von zehn Stimmen; zum zweiten war man sich einig, dass kein Immobilisat (das Endprodukt einer Immobilisierungsanlage) in Markt Taschendorf deponiert werden darf. Von einer Deponie war zwar ohnehin nie die Rede, sagte Gottert. Doch war dies eine Befürchtung, die die Kritiker mit in ihrem Antrag eingebracht hatten.

Die mit der Immobilisierungsanlage verbundenen Planungen, insbesondere der vorhabenbezogene Bebauungsplan wurden ausgesetzt. Gottert wies ausdrücklich darauf hin, dass das Bebauungsplanverfahren nicht gänzlich vom Tisch ist. Wenn die Firma nun anderes auf ihrem Gelände vorhat, könnte das Verfahren in abgeänderter Form wieder aufgegriffen werden. Dazu seien aber erst Gespräche mit dem Unternehmen nötig. Zudem verwies Göttfert darauf, dass das Bürgerbegehren den Gemeinderat nur ein Jahr lang binde.

Zu der beantragten immissionsrechtlichen Genehmigung für die Immobilisierungsanlage verweigerte die Gemeinde ihr Einvernehmen. Eine andere Entscheidung wäre wegen des Bürgerbegehrens nicht möglich gewesen, hieß es im Rat.

Allerdings plädierte Göttfert dafür, dass ein weiteres Verfahren – die Herausnahme der betroffenden Fläche aus dem Naturparkbereich – weitergeführt wird. Der zuständige Wirtschafts- und Umweltausschuss des Bezirks Mittelfranken hat dieses Verfahren jedoch gestern ebenfalls auf Eis gelegt.

Der Kommentar

Lehren ziehen

Die Immobiliesierungsanlage ist vom Tisch. Das ist der Erfolg des Bürgerbegehrens, auch wenn es nun gar nicht zu einer Entscheidung an der Wahlurne kommt.

Einige Räte hätten es gerne auf einen Bürgerentscheid ankommen lassen wollen – eventuell in der Hoffnung, dass es eine bislang schweigende Mehrheit für die Anlage gäbe. In den gut drei Monaten, die für die Wahlvorbereitung nötig gewesen wären, hätte man die Bürgerschaft informieren und manche Kritiker vielleicht umstimmen können, argumentierten sie.

Da hatte man also das nachholen wollen, was in den vergangenen eineinhalb Jahren versäumt wurde, eine intesive Aufklärung der Bürger. Doch dieser Fehler kann durch einen weiteren nicht wett gemacht werden. Der „Wahlkampf“ vor einem Bürgerentscheid – das sah Bürgermeister Christian Göttfert ganz richtig – würde wohl Gräben aufreißen.

Will Göttfert den Frieden im Dorf dauerhaft sichern, so müssen er und seine Räte aus dem gescheiterten Verfahren seine Lehre ziehen; zimindest über die wichtigen Themen sind künftig ihre Bürger schneller offener und umfassender zu informieren.

Die Bürger haben ihrerseits vielleicht bereits gelernt, dass es sich – auch künftig – lohnt, sich für die Gemeindeplotitik zu interessieren.

Andreas Reum

Fränkische Landeszeitung, 23.09.2004


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