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Bürgerinitiative
"Müllverbrennung Delitzsch? - Nein !



Bürgerinitiative "Müllverbrennung Delitzsch — Nein"
Ansprechpartner Dietmar Mieth, Dorfring 22, 0 45 09 Zschepen




Landratsamt Delitzsch
Herrn Landrat Czupalla
Richard-Wagner-Straße 7a
D - 0 45 09 Delitzsch

Delitzsch, den 15. Dezember 2002

Offener Brief an den Landrat Herrn Czupalla

Sehr geehrter Herr Czupalla

Mit der Unterzeichnung des in der Presse am 12. Dezember 2002 erwähnten Vertrages sind Tatsachen veröffentlicht worden, die bisher nie so in der Öffentlichkeit dargestellt wurden.
Aus den verschiedenen Informationsmaterialien ergeben sich deshalb für uns als Bürgerinitiative einige nachstehende offene Fragen:

  1. Zur kleinen Anfrage der SPD vom 4.9.02 im Landtag werden für den Kreis Delitzsch ab dem Jahr 2005 höchstens 15.000 tla Siedlungsabfall angegeben.
    Damit wird unsere These bestätigt, daß nur andienungspflichtiger Siedlungsabfall Grundlage für Planung und Verträge sein kann. Alle anderen nicht andienungspflichtigen gewerblichen Abfälle unterliegen dem freien Markt.
    Gleichzeitig wurde zu dieser Anfrage der Staatsregierung mitgeteilt, daß über konkrete Mengenlieferungenund Transportwege keine Informationen vorliegen.
    Am 07.06.2002 teilten Sie Vertretern unserer Bürgerinitiative mit, daß sie mit dem Zweckverband Abfallwirtsctiaft Westsachsen (ZAW) Kooperationsbeziehungen eingehen wollen.
    Was verbirgt sich hinter diesen widersprüchlichen Angaben, die gegenüber der Staatsregierung und der Delitzscher Öffentlichkeit einschließlich der Delitzscher Kreis- bzw. Stadträte gemacht wurden? Was betreiben Sie, Herr Landrat Czupalla, und Ihre Kreisverwaltung für eine Informationspolitik?

  2. In einer gemeinsamen Erklärung des ZAW und dem Landratsamt vom 11.06.2002 steht unter anderem, daß man sich einig ist, die am Standort Lippendorf geplante Müllverbrennungsanlage (MVA) zu verhindern, um so zusätzliche Belastungen für die Bürger in dieser Region zu vermeiden.
    Dabei wäre Lippendorf nicht nur wesentlich preisgünstiger, sondern auch umweltfreundlicher durch seine geringeren Transportwege und effektiverere Umweltschutztechnik. Im übrigen wird das Genetimigungsverfahren der MVA Lippendorf mit einer Verarbeitungskapazität von 300.000 t/a durch den EON Konzern trotz ihrer Vereinbarung mit dem ZAW weiter vorangetrieben. Bei erfolgter Genehmigung entsteht somit in unserer Region eine weitere Überkapazität für die Verbrennung von Restmüll mit weitreichenden betriebswirtschaftlichen Folgen für die MBA Cröbern und damit zwingend auch für die MVA Delitzsch.
    Mit der nicht stattfindenden Wärmenutzung der MVA Delitzsch ist der Wirkungsgrad der Anlage erheblich niedriger als bei den meisten Abwärme nutzenden Mitkonkurrenten. Sie arbeitet somit von vorn herein unwirtschaftlicher.
    Der Vizelandrat des Landkreises Delitzsch erklärte am 12. Dezember 2002 in der LVZ, daß mit einer Gebührensteigerung bis zu 30% zu rechnen ist. Er begründet dies mit der Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen in Verbindung mit der Technischen Anleitung Siedlungsabfälle (TASi) und tut dabei so, als ob dieses Gesetz erst jetzt erlassen wurde. Dabei ist es seit dem 20.Februar 2001 in Kraft.
    Damit wird der 14 Tage alte Kreistagsbeschluß mit der festgelegten Gebührenobergrenze von 105 €/t ad absurdum erklärt und die Kreisräte vorgeführt.
    Wenn die Lippengorfer MVA realisiert ist, werden auf Grund der Minderauslastung der MVA Delitzsch die Kosten expotentiell steigen.
    Warum ignorierte die Kreistagsmehrheit diese Unwägbarkeiten? Soll die finanzielle Schieflage der Kreiswerke unbedingt über eine MVA gerichtet werden? Sollen demnach die Bürger der Stadt und des Kreises Delitzsch das ökonomische Desaster der Kreiswerke bezahlen?

  3. Nach dem uns vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. Fricke, dem wohl anerkanntesten Fachexperten zur Abfallentsorgung in Deutschland, muß eine MVA stets maximal ausgelastet werden, da schon die festen Kosten 70 bis 80% betragen.
    Nach dem Abfallentsorgungskonzept fallen 15.000 t/a andienungspflichtiger Siedlungsabfall im Kreis Delitzsch an. Nach der Behandlung in der MBA Cröbern werden 5.000 t/a heizwertreiche Fraktion in die geplante MVA nach Delitzsch verbracht. Die Anlage dient also lediglich zur Verbrennung von 6,25 % kreiseigenem Siedlungsabfall!
    Ist das nicht Mülltourismus in Reinstform, dem Sie, Herr Landrat Czupalla, vor Ihrer Wiederwahl 2000 abgeschworen hatten?

  4. Im Gegensatz zu den erarbeiteten Gutachten für den Standort Delitzsch trifft Prof. Fricke die Aussage, daß die neuesten Ökobilanzen, wie die Abluftemissionen, einer Mechanisch Biologischen Anlage (MBA) gegenüber einer MVA deutlich besser ausfallen.
    Prof. Dr. Fricke stellte unter anderem auch fest, daß bereits 3 Jahre nach der Betriebsaufnahme durch chemisch-physikalische Prozesse Alterungserscheinungen an der Anlagentechnik Störfälle verursachen. Die Abgase werden in dieser Situation ohne Reinigung in die Umwelt abgegeben. Der durchschnittliche Schadstoffausstoß ist dabei so hoch, wie in 160 Tagen störungsfreien Betriebes. Anders geartete Störfälle können hingegen jeder Zeit auftreten.
    Völlig falsche Aussagen wurden zu den gesundheitlichen Auswirkungen gemacht. Selbst in den gereinigten Abgasen befinden sich nach den Ökoinstituten Freiberg, Darmstadt und Berlin noch langlebige krebserregende Schadstoffe und ein relativ hoher Bleigehalt.
    Die nicht stattfindende Wärmenutzung der MVA Delitzsch senkt den Wirkungsgrad der Anlage erheblich und erhöht zusätzlich den Treibhauseffekt.
    Sie als Landrat und Ihre Kreisverwaltung standen von Anfang an einer dezentralen MBA in Delitzsch für den kreiseigenen Müll negativ gegenüber. Einer Anlage, die nur 20% der Investitionskosten einer MVA haben würde. Wie wollen Sie, Herr Czupalla, das gegenüber den Bürgern begründen?

  5. Schon heute gibt es im Land Sachsen durch die bestehenden und bereits genehmigten Anlagen Überkapazitäten der Abfallentsorgung. Die Europäische Union diskutiert derzeit, ab dem Jahr 2005 die Andienungspflicht für Hausmüll aufzuheben.
    Damit soll der Freie Wettbewerb gefördert werden.
    Nach Aussage der Bundesregierung soll ab dem Jahr 2020 der Siedlungsabfall vollständig der Verwertung zugeführt werden.
    Wie kann unter diesen Rahmenbedingungen die langfristige Auslastung der Anlage bis zum Erreichen der Amortisation überhaupt gesichert werden?

Hochachtungsvoll!

Roland Hadrych
Südstraße 3
D 04509 Hohenossig
Günther Lochner
Alte Dorfstraße 21
D 04509 Beerendorf
Dietmar Mieth
Dorfring 22
D 04509 Zschepen

Verteiler:
Fraktionsvorsitzende des Kreistages Delitzsch; Sächsischer Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, LVZ


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